Quelle: www.weko.admin.ch
Die Wettbewerbskommission (nachfolgend: die Weko) hat am 21. Oktober 2002 die Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung von vertikalen Abreden im Kraftfahrzeughandel (nachfolgend: die Bekanntmachung) erlassen. Diese ist seit 1. November 2002 in Kraft. Im Rahmen deren Umsetzung ist das Weko-Sekretariat veranlasst worden, zu einer bestimmten Anzahl von Fragen Erklärungen zu liefern, die von den Adressaten der Bekanntmachung aufgeworfen wurden. Die Weko fasst im vorliegenden Dokument die Antworten auf die häufigsten Fragen zusammen und veröffentlicht diese in Form der vorliegenden Erläuterungen. Dabei berücksichtigt die Weko die Entwicklungen auf europäischer Ebene in der Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 1400/2002 und zielt auf eine größtmögliche Übereinstimmung mit der durch die Europäische Kommission entwickelten Praxis ab.
Im Bereich des Verkaufs haben die Kraftfahrzeuglieferanten die Wahl zwischen zwei Vertriebssystemen, nämlich dem exklusiven und dem selektiven Vertrieb. Es ist somit nicht mehr möglich, diese beiden Vertriebssysteme zu kombinieren, wie dies unter der alten Regelung der Fall war.
Gewährt ein Kraftfahrzeuglieferant Kaufprämien, sind diese nach der Anzahl der neuen Kraftfahrzeuge zu berechnen, die bei letzterem gekauft wurden, und zwar unabhängig von deren Endbestimmung (Verkauf an Endverbraucher oder an zugelassene Händler des Netzes). Die Berücksichtigung der Endbestimmung der Kraftfahrzeuge würde eine indirekte Einschränkung für Querlieferungen darstellen. Ausserdem darf der Kraftfahrzeuglieferant bei den Verkaufszielsetzungen für die zugelassenen Händler die Zielverwirklichung nicht an die Anzahl neuer Kraftfahrzeuge koppeln, welche beim offiziellen Importeur erworben wurden. Im Gegensatz hierzu können die Kraftfahrzeuglieferanten den zugelassenen Händlern so genannte Mengenrabatte einräumen, das heißt Rabatte im Verhältnis zur absoluten Menge der beim Kraftfahrzeuglieferanten getätigten Bezüge.
Ungeachtet des Ortes des Kaufs eines Kraftfahrzeugs im Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz haben die zugelassenen Werkstätten die Verpflichtung, alle Kraftfahrzeuge der betreffenden Marke zu reparieren, die Garantien zu gewähren, die kostenlose Wartung und sämtliche Arbeiten im Rahmen von Rückrufaktionen durchzuführen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob das Kraftfahrzeug bei einem zugelassenen Händler, durch einen bevollmächtigten Vermittler oder bei einem unabhängigen Wiederverkäufer gekauft wurde. Die Garantien, welche von den Kraftfahrzeuglieferanten an dem Ort gewährt werden, wo das neue Kraftfahrzeug verkauft wird, müssen unter denselben Bedingungen im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz Gültigkeit haben. Die Garantie verfällt nicht, wenn ein Endverbraucher sein Kraftfahrzeug durch eine unabhängige Werkstatt während der Dauer der Garantie des Kraftfahrzeuglieferanten reparieren oder unterhalten lässt (einschließlich der Reparaturen aufgrund eines Unfalles), es sei denn, die entsprechenden Arbeiten seien fehlerhaft durchgeführt worden. Ein Endverbraucher ist somit nicht verpflichtet, sein Kraftfahrzeug während der Garantiedauer ausschließlich innerhalb des Netzes zugelassener Werkstätten unterhalten oder reparieren zu lassen.
1. Die Kraftfahrzeuglieferanten müssen ihr Netz zugelassener Werkstätten gestützt auf ein selektives Vertriebssystem organisieren, welches ausschließlich auf qualitativen Kriterien beruht. Dies hat zur Folge, dass all jene Werkstätten, welche in der Lage sind, die entsprechenden Kriterien zu erfüllen, als zugelassene Werkstatt ins Werkstattnetz aufgenommen werden müssen (Kontrahierungszwang). Dies umfasst insbesondere die zugelassenen Händler, deren Vertrag aufgelöst wurde, die aber weiterhin als zugelassene Werkstatt tätig sein wollen. Kraftfahrzeuglieferanten sind vor Abschluss eines entsprechenden Werkstattvertrags befugt zu überprüfen, ob die Bewerber die vorgegebenen Kriterien erfüllen. 2. Die Kraftfahrzeuglieferanten sind in der Wahl und der Festlegung der durch die Bewerber zu erfüllenden qualitativen Kriterien grundsätzlich frei. Sie können unter anderem fordern, dass die zugelassenen Werkstätten in der Lage sind, Reparatur- oder Wartungsarbeiten von einer bestimmten Qualität und innerhalb fest definierter Fristen ausführen können. Die Kriterien der Kraftfahrzeuglieferanten werden sich auf die Eignung der zugelassenen Werkstätten beziehen, die Garantien zu gewähren, die kostenlose Wartung durchzuführen und sich an Rückrufaktionen der Kraftfahrzeuge der entsprechenden Marke zu beteiligen, die im Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz verkauft wurden. Bestimmte qualitative Anforderungen tragen indirekt dazu bei, die Anzahl der Bewerber zu begrenzen. Die Kraftfahrzeuglieferanten können allerdings die Anzahl der zugelassenen Werkstätten nicht derart begrenzen, wie dies im Bereich des Verkaufs der Fall ist. Somit dürfen die entsprechenden qualitativen Kriterien nicht über das hinausgehen, was eine sachgemäße Ausführung der Reparatur- und Wartungsarbeiten erf ordert. Die Kraftfahrzeuglieferanten haben die Verpflichtung, identische qualitative Kriterien zu statuieren und auf dieselbe Art und Weise auf alle Werkstätten anzuwenden (Bewerber oder bereits zugelassene Werkstätten), die sich in einer ähnlichen Lage befinden (Grundsatz der Nichtdiskriminierung).Aus wirtschaftlichen Gründen (Aktivitätszone, Art von Kundschaft) können differenzierte Kriterien festgesetzt werden. Hierbei gilt jedoch, dass innerhalb jeder dieser Kategorien der Grundsatz der Nichtdiskriminierung ebenfalls Anwendung findet. Andererseits müssen dieselben Kriterien sowohl auf zugelassene Werkstätten, die zugleich zugelassene Händler neuer Kraftfahrzeuge der entsprechenden Marke sind, als auch auf jene, die nicht zugelassene Händler der entsprechenden Marke sind, angewandt werden. Eine Werkstatt kann zugelassene Werkstatt mehrerer Marken werden, wenn diese in der Lage ist, sämtliche der entsprechenden qualitativen Kriterien zu erfüllen. Die unter dieser Ziffer erwähnten Grundsätze finden ebenfalls Anwendung, wenn der Kraftfahrzeuglieferant ein Netz zugelassener Karosseriewerkstätten errichtet hat.
Falls die Kraftfahrzeuglieferanten ein Netz zugelassener Originalersatzteilhändler errichten möchten, dann müssen sie dieses Netz zugelassener Originalersatzteilhändler gestützt auf ein selektives Vertriebssystem organisieren, welches ausschließlich auf qualitativen Kriterien beruht. Dies hat zur Folge, dass all jene Originalersatzteilhändler, welche in der Lage sind, die entsprechenden Kriterien zu erfüllen, als zugelassene Originalersatzteilhändler ins Originalersatzteilhändlernetz aufgenommen werden müssen (Kontrahierungszwang).
Den Kraftfahrzeuglieferanten ist es untersagt, die Möglichkeit ihrer zugelassenen Händler zu beschränken, die Verkaufspreise für den Endverbraucher selbst festzulegen. Den Kraftfahrzeuglieferanten ist es auch nicht gestattet, auf andere Weise Fest- oder Mindestpreise vorzuschreiben. Soweit die zugelassenen Händler frei sind, den Endverbrauchern jede Form von Rabatt einzuräumen, können Kraftfahrzeuglieferanten Preisempfehlungen herausgeben.
In einem Exklusivvertriebssystem wird dem zugelassenen Händler ein bestimmtes Verkaufsgebiet oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen. Hierbei ist es dem zugelassenen Händler untersagt, Kunden außerhalb des ihm zugewiesenen Verkaufsgebiets oder des zugewiesenen Kundenkreises auf individuelle oder allgemeine Weise aktiv anzugehen, zum Beispiel durch personalisierte Briefe oder E-Mails, durch Kundenbesuche oder andere Verkaufsförderungsmassnahmen (Ziffer 4: so genannte aktive Verkäufe). Nicht unter diese Einschränkung fallen allgemeine Verkaufsförderungsmassnahmen durch Werbung in Massenmedien oder auf einer Internetseite, die sich an die Kunden im zugewiesenen Verkaufsgebiet richten oder ebenfalls Kunden erreichen, welche sich nicht im zugewiesenen Verkaufsgebiet befinden. Ferner muss der zugelassene Händler von Kunden außerhalb des zugewiesenen Verkaufsgebiets oder des zugewiesenen Kundenkreises kommende, unaufgeforderte Bestellungen befriedigen können (so genannte passive Verkäufe). In einem Exklusivvertriebssystem kann der zugelassene Händler an nicht zugelassene Händler verkaufen, insbesondere an unabhängige Wiederverkäufer, an Supermärkte oder an Internethändler.
In einem Selektivvertriebssystem wählt der Kraftfahrzeuglieferant seine Vertragshändler auf Grund vorbestimmter qualitativer und/oder quantitativer Kriterien aus. Als Beispiele können folgende Kriterien gelten:
Schulungspflicht für das Verkaufspersonal Anforderungen an die Produktpräsentation Separate Ausstellung der Kraftfahrzeuge einer Marke im Ausstellungsraum
Jährliche Mindestabnahmemengen Begrenzung der Händlerzahl im Verkaufsgebiet Mindestumsatz Quantitative Vorgaben für die Lagerung Anzahl der zugelassenen Händler Im Selektivvertriebssystem kann der Kraftfahrzeuglieferant den zugelassenen Händlern verbieten, neue Kraftfahrzeuge an nicht zugelassene, in eigenem Namen handelnde Händler zu verkaufen, insbesondere an unabhängige Wiederverkäufer, an Supermärkte oder an Internethändler. Der Kraftfahrzeuglieferant kann den zugelassenen Händlern somit vorschreiben, lediglich an andere zugelassene Händler der entsprechenden Marke (Querlieferungen), an Endverbraucher und an bevollmächtigte Vermittler, welche im Namen eines Endverbrauchers handeln, verkaufen zu dürfen. Im Selektivvertriebssystem dürfen so genannte aktive und passive Verkäufe durch den Kraftfahrzeuglieferant nicht eingeschränkt werden.
Die Bekanntmachung verleiht den zugelassenen Händlern einer Marke im Rahmen eines Selektivvertriebssystems die Möglichkeit, neue Kraftfahrzeuge an einen von einem Endverbraucher bevollmächtigten Vermittler zu verkaufen. Die Kraftfahrzeuglieferanten können von ihren zugelassenen Händlern verlangen, dass der bevollmächtigte Vermittler im Besitz eines unterzeichneten und gültigen Auftrags eines Endverbrauchers ist. Es kann sich zum Beispiel um einen Kaufauftrag handeln und/oder um den Auftrag, ein Kraftfahrzeug einer bestimmten Kategorie oder eines bestimmten Modells zu liefern. Zulässig ist, vom bevollmächtigten Vermittler überdies zu verlangen, einen Nachweis über die Identität des Endkunden zu erbringen, wie zum Beispiel eine Kopie des Passes oder des Personalausweises. Die Ausführung mehrerer Aufträge, so genannte Kettenaufträge, die einem Endkunden erlauben, ein neues Kraftfahrzeug über mehrere bevollmächtigte Vermittler zu erwerben, sind zulässig.
Nach der Bekanntmachung sind die Tätigkeiten von Verkauf und Kundendienst zu trennen. Ebenso dürfen die Verkaufstätigkeiten nicht mit denjenigen des Vertriebs von Ersatzteilen verbunden werden. Die Bekanntmachung sieht die Abschaffung der Verpflichtung für einen zugelassenen Händler vor, gleichzeitig den Verkauf wie auch den Kundendienst übernehmen zu müssen. Ein zugelassener Händler kann seine Tätigkeit demzufolge ausschließlich auf einen dieser Bereiche beschränken. Die Bekanntmachung sieht vor, dass der zugelassene Händler (nicht Werkstatt) dem Endverbraucher eine zugelassene Werkstatt angeben soll, welche in der Lage ist, Unterhalts- und Instandsetzungsarbeiten, Garantiearbeiten und Arbeiten infolge einer Rückrufaktion durchzuführen (Ziffer 15 lit. b). Ein zugelassener Händler kann außerdem als unabhängige Werkstatt bezüglich neuer Kraftfahrzeuge auftreten, die er verkauft hat. Ein Anspruch auf Vergütung vom Kraftfahrzeuglieferanten für Arbeiten im Rahmen der Garantie, des unentgeltlichen Kundendienstes oder von Rückrufaktionen besteht grundsätzlich nicht. Ebenso hat ein zugelassener Händler die Möglichkeit, seine Verkaufsaktivitäten aufzugeben, um sich auf diejenigen als zugelassene Werkstatt zu konzentrieren. Die gemeinsame Ausübung von Verkauf und Kundendienst als zugelassener Händler und zugelassene Werkstatt bleibt auf Wunsch des Händlers stets möglich.
Den Kraftfahrzeuglieferanten ist es untersagt, die Möglichkeiten der Belieferung mit Ersatzteilen einzuschränken. Eine zugelassene oder unabhängige Werkstatt darf Originalersatzteile oder qualitativ gleichwertige Ersatzteile bei Dritten (Ersatzteilhersteller) direkt im Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz beschaffen und diese für Reparaturen oder den Unterhalt von Kraftfahrzeugen benutzen.
Unabhängigen Werkstätten ist Zugang zu denselben technischen Informationen, Aus- und Weiterbildungen, Werkzeugen und Ausrüstungen wie zugelassenen Werkstätten zu gewähren. Es handelt sich insbesondere um die zur Ausführung von Reparatur- und Unterhaltsarbeiten notwendigen Informationen. Der Zugang muss diskriminierungsfrei und ohne Verzug gewährt werden. Die den unabhängigen Werkstätten in Rechnung gestellten Kosten müssen angemessen sein.
Die neue Regelung erlaubt dem zugelassenen Händler einer Marke (zum Beispiel: ein Konzessionär), zugelassener Händler einer oder mehrerer weiterer Marken zu werden, ohne das diese Anzahl beschränkt ist. Eine prozentuale Mindestgrenze der gesamten Einkäufe neuer Kraftfahrzeuge derselben Marke von 30% (wie in der Europäischen Union) besteht in der Schweiz nicht. Somit steht es den Händlern frei, sich für den Verkauf einer oder mehrerer Marken zu entscheiden. Einige qualitative Selektionskriterien müssen gelockert oder vollständig aufgegeben werden, sofern diese den Mehrmarkenvertrieb in der Praxis erschweren. Zum Beispiel ist die Anforderung an eine markenspezifische Empfangstheke in der Regel unzulässig, wenn der Mangel an Raum oder andere praktische Erwägungen die Bereitstellung weiterer Empfangstheken unangemessen erschwert. Überhöhte Anforderungen, welche an die einer Marke vorzubehaltende Ausstellungsfläche oder an die Anzahl auszustellender Kraftfahrzeuge gestellt werden, müssen gleichermaßen gelockert werden. Allgemein verwendbare Ausrüstungen und andere Einrichtungen dürfen nicht einer spezifische Marke vorbehalten werden. Ein zugelassener Händler oder eine zugelassene Werkstatt einer oder mehrerer Marken kann Kraftfahrzeuge anderer, konkurrierender Marken als unabhängiger Händler verkaufen. Hierbei wird er als bevollmächtigter Vermittler handeln müssen, um sich innerhalb des Netzes zugelassener Händler der fraglichen Marke zu versorgen. Er kann sich gleichermaßen außerhalb des offiziellen Vertriebsnetzes einer Marke auf dem so genannten Graumarkt versorgen. Tut er dies, darf ihm der Status als zugelassener Händler oder Werkstatt nur allein deshalb nicht entzogen werden. Er darf auch nicht auf andere Weise benachteiligt werden.
Ein zugelassener Händler, der gleichzeitig auf dem Gebiet des Verkaufs und des Kundendienstes tätig ist, darf eine dieser Tätigkeiten beenden, ohne über einen neuen Vertrag mit dem Kraftfahrzeuglieferanten für die verbleibende Tätigkeit verhandeln zu müssen. Ein zugelassener Händler, der einen Vertrag geschlossen hat, der sowohl den Verkauf als auch den Kundendienst umfasst und wünscht, sich von der Verkaufstätigkeit neuer Kraftfahrzeuge zurückzuziehen, um seine Tätigkeit als zugelassene Werkstatt fortzuführen oder umgekehrt, darf dies aufgrund der zwischen ihm und seinem Kraftfahrzeuglieferanten bereits bestehenden Vereinbarung machen.